Freitag, 1. Juli 2011

01.07.2011 - S21 - Satire - Bericht aus dem Jahre 2091 - Stuttgart ist rücknaturiert

Die ist ein Bericht aus dem Jahre 2091. Er wurde via Zeitmaschine ins Jahr 2011 gebeamt.

Ich sitze hier am Baggerloch des im Jahre 2010 begonnen Projekts Stuttgart 21. Ja, es ist hier sehr idyllisch. Das Loch ist vollständig mit klarem Wasser angefüllt, die Fische tummeln sich, am Rande des Loches brüten Tausende von Vögeln, inmitten einer prachtvollen Vegetation.

Nachdem im Jahre 2033 der letzte Versuch scheiterte, irgendwelche Tunnel unter Stuttgart zu bohren, hat die Natur die Bauruine seit gut 20 Jahren endgültig zurückerobert.
Da die Einwohnerzahl Stuttgarts heute nur noch knapp 5000 beträgt, sind auch weite Teile der Stadt von der Natur zurückerobert worden, vor allem die eingestürzten Straßenzüge, die schon im Jahre 2017 in die Tunnellöcher gestürzt sind.
Aber auch die weiteren Bohrungen haben zu ungeahnten Leid unter Stuttgarts Bevölkerung geführt. Tausende von Toten gab es im Jahre 2026 zu beklagen als mitten in der Nacht 6 Strasse auf einer Gesamtlänge von rund 18 km einfach in die Tiefe gesackt sind.
All das ist Vergangenheit. Schon seit 2028 ist Karlsruhe die Hauptstadt von Baden-Württemberg.
Damals hatte Stuttgart noch rund 35000 Einwohner. Die Abwanderung begann kurz nach der ersten großen Katastrophe im Jahr 2017.
Kein einziger Zug ist jemals durch den geplanten Bahnhof gefahren. Das Grundwasser war nicht zu bändigen. Auch die letztendlich 18 Millionen Kubikmeter abgepumpten Grundwassers konnten nicht helfen. Als sich dann auch noch die Mineralwasservorräte Stuttgarts mit den anderen Grundwasserlinien vereinigten, brachen zu guter Letzt alle Schleusen.
Längst schon hat das Wasser alle Reste des Tiefbahnhofes weggespült. Jahrelang hatte sich durch Stuttgart eine Schlammrinne ihren Weg in den Neckar gesucht.
Der aufgewühlte Untergrund begann sich unkontrolliert zu heben und zu senken, ganz wie es ihm beliebte. Die Häuser zerbrachen und fielen zum Teil einfach in sich zusammen.
Die im Jahre 2010 das Projekt S21 treibenden politischen Parteien sind schon lange abgewickelt.
Was heute keiner mehr missen möchte ist das Weltkulturerbe Stuttgart. Stuttgart wurde im Jahr 2058 zum Weltkulturerbe ernannt. Die erste Großstadt der Welt, die von der Natur zurückerobert wird.
Es ist toll, was man hier alles vorfindet. Wolfsmischlinge durchziehen die verfallenen Strassen, eine ganz neue Art von Damwild, der Stadthirsch hat sich angesiedelt und wird von eben den Wolfsmischlingsrudeln in Schach gehalten. Die Hundeartigen stellen keine Gefahr für die Menschen dar. Ganz langsam spricht sich herum, dass es ein einmaliges Erlebnis ist, in dieser Stadt zu leben. Das Leben selbst ist wie in einem zu groß gewordenen Dorf. Mit einem Auto kann man sich in den verfallenen Strassen nicht mehr bewegen – es sei denn mit einem Extrem-SUV (der hat Ketten und wurde von der Firma Daimler im Jahre 2041 zum 1. Mal vorgestellt).
Ich muss denen danken, die in den Jahren 2010 und 2011 dafür gesorgt haben, dass dieses Idyll einer rücknaturierten Großstadt Wahrheit werden durfte. Der Weg war mühsam, es hat viele Opfer gekostet. Was wir aber hier heute vorfinden, ist von so einmaliger und wilder Schönheit, das man es mit Worten kaum beschreiben kann. Danke an die S21 Befürworter.





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