Montag, 24. Januar 2011

24.01.2011 - Anne Will vom 23.01.2011 - Traumasoldaten, Bundeswehrkrisen und Armeerituale

Nur sehr randbezirklich wurde ausgesprochen, dass Soldaten nun mal das Kriegshandwerk betreiben. Dieses Handwerk besteht im Töten , Zerstören und Rauben. So drastisch will das in unserer ach so zivilisierten Welt niemand sagen - und trotzdem war das immer so, und solange der reine Pazifismus durch realpolitische Pseudophrasen immer und immer wieder relativiert wird, solange wird sich das auch nicht ändern.
Da nützen auch die verrücktesten Sprachverrenkungen nichts - wer eine Waffe trägt, wirkt bedrohlich. Wer humanitär helfen will, der möge seine Waffen ablegen, der möge sich um den nächsten Menschen kümmern, dem es nicht gut geht.
Wie ich nicht anders erwartet hatte, wirkten die Phrasen von D. Niebel auf mich einstudiert, ohne Authentizität, ohne Engagement, ohne wirkliche Einsicht in den Umstand, dass an und für sich kein Mensch von Natur aus dafür bestimmt ist, andere berufsmäßig zu töten oder sich eben von anderen töten zu lassen, bzw. sich der permanenten Gefahr auszusetzen, getötet zu werden.
Wer immer noch glaubt, dass man anderen Kulturen westliche Werte  mit Waffen nahe bringen kann, der hat nichts gelernt. Die Beweise dafür, dass dies noch nie funktioniert hat, kann nur der ignorieren, der in Wahrheit andere Absichten hegt und Alibis sucht. Kann es sein, dass man im sog. kultivierten Westen immer noch an so was wie einen Missionsgeist glaubt? Oder sind es simpel und einfach Ausbeuterinteressen? Sicher liegt die Wahrheit irgendwo zwischen diesen und noch anderen Polen.
Solange wir Armeen als Armeen bezeichnen und sie mit zerstörerischen Waffen ausrüsten, solange wir den realen, bedingungslosen Pazifismus den nicht existierenden REALZWÄNGEN opfern, solange wird es Leid und Opfer geben - auf allen Seiten. Solange wird es Menschen geben, deren Leben durch das kurze Erleben einer schrecklichen Situation für immer zertört wird.
Alle Anwesenden in dieser AnneWill Sendung haben auf mich den Eindruck gemacht, dass es ihnen entweder peinlich ist, das Wort Pazifismus in den Mund zu nehmen oder sie eben nicht den Mut haben, das zu sagen, was sie wirklich denken.
Vollkommen unerwähnt blieb der Gedanke, ob der Einsatz in islamischen Ländern nicht sogar den islamischen Fanatismus fördert.
Ok, ich geb zu, ich bin Pazifist. Ich bin der festen Überzeugung, dass konsequenter Pazifismus und ein Zurücknehmen des westlichen Sendungsbewusstseins die Welt ruhiger machen würde. Menschen sind nicht von sich aus kriegerisch - sie werden es, wenn die soziale Frage immer drückender wird, wenn die Existenzangst in Verzweiflung kulminiert, wenn Religionen fanatisieren und erst recht, wenn alle diese Faktoren zusammen wirken.
Dieser Strang der Debatte war unterbesetzt und deshalb konnte die Diskussion nur oberflächlich bleiben.
Schlimmer noch die Ausweichtaktik der Beteiligten in der Frage der Armeerituale.
Ich selbst war 2 Jahre Zeitsoldat. Anfang der 80er war ich 2 Jahre in einer Artillerieeinheit. Dort gab es vereinzelt in kämpfenden Batterien das Ritual des "Rostnagels".  Die von der Grundausbildung in die bewaffneten Batterien Wechselnden mussten ein Schnapsglas, gefüllt mit einem fünftel Tabasco und 4 fünfteln Jägermeister, auf Ex trinken. Die Nachwirkungen zogen sich über mindestens 2 Tage hin.
Es gibt Rituale in Armeen. Eine Aufklärung in diesem Bereich setzt erneut die Bereitschaft voraus, dass man umdenkt. Armeen sind immer in einer bestimmten Weise vom Rest derer, die diese Armeen unterhalten, abgeschottet. Diese Abschottung fördert Ritualbildung.
Wenn wir aufhören, Armeen zu installieren, dann hören auch die Rituale auf. Aber können wir das ? Sind wir schon so weit in unserer Kulturevolution, dass wir das mehrheitlich wollen? Ich persönlich glaube es nicht. Aber die Vision, dass wir oder unsere Nachfahren irgendwann in einer Welt leben, die keine Armeen mehr hat, diese Vision gebe ich nicht auf.

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