Donnerstag, 8. September 2011

08.09.0211 - Der Niedergang von Raffgiera

Kein Imperium dieser Welt hatte Bestand, alle sind sie untergegangen. 
Dies ist ein Bericht über den gesellschaftlichen Tod des Kontinents Raffgiera – aber auch über die Kraft des Menschen aus Chaos wieder Ordnung zu schaffen. 
Der Bericht stammt aus dem Jahre 102 ndgK (nach der Großen Krise). Leider war es aufgrund des Berichtes nicht möglich, die Zeitangaben in unsere Zeitrechnung umzurechnen. 

Raffgiera war ein Kontinent mit vielen Ländern. Diese Länder hatten eine langjährige Geschichte voller Kriege und Grausamkeiten.
Dann kam eine Zeit, wo die Menschen von Raffgiera scheinbar klüger wurden. Zu einem großen Teil verschwanden die grausamen Kriege, wenn auch nicht ganz. Existierten auf dem Kontinent zunächst noch zwei konkurrierende Staatsformen, Kommunismus und Kapitalismus, so siegte letztendlich der Kapitalismus über den Kommunismus.
Das war dann der Startschuss für den Untergang. Im Laufe der Jahre wurde der vormals gemäßigte Kapitalismus zum reinen Raubtier – und Ausbeutersystem ausgeweitet. Die Reichen wurden immer reicher und die Armen immer ärmer. Gleich dem Frosch, der langsam in seinem Glas gekocht wird und bis zum Tode darin verharrt, merkte die Mehrzahl der Bürger nicht, dass ihr Weg in den Untergang nur abzuwenden gewesen wäre, wenn sie den ausufernden Ausbeutern und Selbstbereicherern massiv Einhalt geboten hätten.

Es kam wie es kommen musste. Ein ausufernder Kapitalismus endet, und das hat schon einer der größten Denker eines raffgieräischen Landes, Kalle Max aus Täuschland, ganz korrekt vorrausgesagt, darin, dass sich der Kapitalismus selber auffrisst.
Die wahren Herren der raffgieräischen Länder waren zu dieser Zeit schon lange nicht mehr die gewählten Regierungen – es waren die Großkapitalisten. Sie bestimmten, was gemacht wurde. Das wirklich fatale war, dass die Politiker der raffgieräischen Länder diesen Ausbeutern einfach glauben schenkten, z.B. als sie die Untheorie vom Sparen in öffentlichen Haushältern in die Welt setzten. In der Folge wurden die Ausbeuter immer weniger steuerlich belastet, das einfache Volk aber immer mehr zur Ader gelassen.
Als immer weniger Menschen die Last, die ihnen die Politiker aufgelegt hatten, tragen konnten, kollabierten die ersten Länder Raffgieras unter ihrer Schuldenlast. Aber selbst jetzt konnten oder wollten die Politiker nicht einsehen, dass die einzige Möglichkeit, die Staaten Raffgieras noch zu retten, darin bestand, den Superreichen ihren Reichtum zu mindern und diese gewaltigen Vermögen dazu zu nutzen, ihre Haushalte zu sanieren.
Einige Länder Raffgieras hatten sich eine gemeinsame Währung gegeben, den Rafftaler. Als die ersten Staaten dieser Währungsgemeinschaft zu kollabieren drohten, kam die große Stunde der Turboausbeuter. Sie wussten, wenn sie die noch gesunden Staaten dazu brächten, für die kollabierenden Staaten einzustehen, dann würden die Füllhörner für sie noch einmal kräftig gefüllt werden und die Chance, jetzt auch noch die Vermögen der gesunden Länder in sich aufzusaugen, wäre gekommen.
Es ist im Nachhinein viel spekuliert worden und es wird wohl noch Jahrzehnte dauern bis sich die Geschichtsschreiber einig sind, warum die Politiker Raffgieras in diese Falle tappten. Sie pumpten unzählige Milliarden von Rafftalern in die Schlünde der Ausbeuter und es kam wie es kommen musste. Ein Land nach den anderen wurde in den Untergangssog mit hinein gerissen.
Die Armut wuchs in den Ländern, die normalen Menschen hatten zu guter Letzt kaum mehr die Chance ihren Hunger zu stillen. Aufkeimende Revolten wurden mittels Militär nieder geschlagen. Die Superreichen lebten in stark abgesicherten Arealen in Saus und Braus, immer mehr Menschen verdingten sich sklavengleich im Dienste dieser kleinen Gruppe – um zu überleben.
Als sich dann aber, nach einer Leidenszeit von rund 10 Jahren und dem vollkommenen Zusammenbruch jeglicher sozialer Errungenschaften in allen Ländern Raffgieras, immer mehr Militärs mit den Aufständischen solidarisierten, kam es zur „Großen Krise“.
Die Revolten breiteten sich von den südlichen Ländern Raffgieras seuchenartig bis in den äußerten Norden aus. Krichien fiel als erstes, dann folgten Fatalien und Nie-Sparien. Die Länder des Ostens folgten fast zeitgleich. Als es dann auch die stärksten Länder Raffgieras erwischte, Karlsreich, Täuschland und Großinsulanien, herrschte auf den Strassen Raffgieras die schiere Anarchie.
Die Sicherheitsareale der Superreichen waren nicht mehr sicher, es kam zu unendlich grausamen Mordserien unter den Superreichen. In den ersten 5 Jahren nach der Großen Krise verringerte sich die Bevölkerung Raffgieras von ehemals rund 700 Millionen zum Zeitpunkt der Großen Krise auf rund 300 Millionen. Die Menschen starben wie die Fliegen, ob durch Hunger, durch Gewalt marodierender Banden, Seuchen (denn eine medizinische Versorgung konnten sich nur noch Superreiche leisten) oder durch Strafaktionen von Milizen, die sich als Hüter einer neuen Ordnung glaubten.
Zehn Jahre nach der Großen Krise zeichneten sich erste Erfolge einer neuen Ordnung am Horizont ab.
Die ehemaligen Völker der Länder existierten nicht mehr. Die ungehinderte Wanderung hatte die Menschen, die ehemals in Nationen geordnet waren, vollkommen durcheinander gewirbelt. Von Zentralraffgiera aus bildete sich eine Art neuer Ordnung. Man begann wider zu wählen. Erst in kleinen Einheiten, die manchmal nur Dörfer umfassten. Die Menschen waren müde vom täglichen Kampf ums Überleben und sehnten sich nach Sicherheit. Es entstanden kleine aber geordnete Einheiten, die manchmal nur wenige 100 Menschen umfassten. Die gewählten Vertreter dieser Einheiten trafen sich und vereinbarten neue, größere Einheiten zu schaffen.
Die Geldwirtschaft kam kurz nach der Großen Krise vollkommen zum Erliegen und auf den Tauschhandel folgten erste zögerliche Versuche wieder eine Art von Währung zu etablieren. Allen war in Erinnerung, dass Geld das Unheil erst ausgelöst hatte.
Schon 20 Jahre nach der Großen Krise war den Geschichtsschreibern erstaunlicherweise in allen Teilen des zersplitterten Raffgieras klar, dass eine Gemeinschaft niemals NUR auf gemeinsamen Geld basieren kann. Dass der Rafftaler der auslösende Grundkeim der Großen Krise war, stand allen Überlebenden zu stark im Gedächtnis gebrannt, als dass sie dieses Experiment noch einmal wagen wollten.
Es entstanden Spezialwährungen. Noch immer gab es große Denker unter den Überlebenden, darunter viele, die vor der Krise immer wieder gewarnt hatten und mit ihren Vorschlägen gegen Mauern gerannt sind. Die Menschen wussten, dass diese Denker einfach nur Recht behalten hatten mit ihren düsteren Vorahnungen, die sie zwar früh genug geäußert hatten, die aber niemand hören wollte.
So entstand eine Spezialwährung für den Zahlungsverkehr, der Hoffnungstaler. Man untersagte streng jedwede Aktivität mit Geld Geld zu machen.
Man wusste, dass der Kapitalismus in einem unschlagbar war – noch immer: In der Freisetzung menschlicher Kreativität und Schaffenskraft.
Diesen Vorteil konnte man sehen und wollte ihn auch weiter nutzen. Deshalb fingen die Menschen auch wieder an, zu produzieren – nicht nur für den Eigenbedarf zu arbeiten. Ein entscheidende Unterschied zur Zeit vor der Großen Krise war, dass man Hoffnungstaler, die in die kapitalistische Wirtschaft Einzug hielten, in Sozialtaler umwandelte. Der Umwandlung von Sozialtalern in Hoffnungstaler wurde streng reglementiert. Der Begriff Sozialtaler sollte zum Ausdruck bringen, dass Geld, das in eine wirtschaftliche Aktivität Eingang findet in erster Linie eine gemeinschaftliche Aufgabe zu erfüllen hatte.
Man ersann ein System, das sicherstellte, dass niemand nur dadurch, dass er Geld arbeiten ließ, unermesslich reich wurde. Dazu gab es Mindesteinkommen und Maximaleinkommen. So wurde sicher gestellt, dass Mechanismen, die zur Großen Krise geführt hatten, niemals mehr in Gang kommen konnten.
Als das Jahr 25 ndgK erreicht war, führte man eine neue Zeitrechnung ein, eben die besagte Zählung der Jahre ab der Großen Krise. Dieses Jahr war das Jahr des Falles Krichiens. Zu diesem Zeitpunkt lebten auf Raffgiera noch ca. 200 Millionen Menschen, aber erst rund 70 Millionen hatten es geschafft, in den einigermaßen stabilen Regionen Zentralraffgieras zu leben. Dort etablierten verantwortungsvolle Menschen unter Anleitung der Überlebenden eine neue Ordnung. Diese Ordnung umfasste nahezu alle ehemaligen Länder des Nordens, des Westens und des Zentrums Raffgieras. Wenige Teile des Ostens und kein Teil des Südens gehörte 25 Jahre nach der Großen Krise zu diesem Keim einer neuen Ordnung.
Es dauerte allerdings nur rund 5 Jahre, bis dieser Keim einer neuen Ordnung zeigte, dass er erfolgreich sein kann. Es kehrte langsam Frieden ein, auch an den Rändern der Keimzelle. Dass diese neue Ordnung so erfolgreich war, führen heute alle Fachleute auf die einfache Tatsache zurück, dass man sich der menschlichen Schwäche erinnert hat, dass der Mensch an sich, wenn er denn nicht daran gehindert wird, raffgierig ist. Diese Raffgier zu verhindern war oberstes Ziel der neuen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung – und die Ordnung war erfolgreich ohne Ende.
Im Jahre 70 ndgK fanden auch die letzten Regionen des Ostens und des Südens in den Schoss der jungen Nation, die sich nun Esperanza nannte. Im Jahre 83 ndgK benannte man den Kontinent um in Pudoria – den zufriedenen Kontinent.
Und heute, im Jahre 102 ndgK, leben alle Menschen des Kontinents Pudoria in EINER großen Gemeinschaft- im Lande Esperanza. Sie regieren sich selbst mit stark basisdemokratischen Strukturen. Allen aber gemeinsam sind die Regelungen, die zur Bändigung der Gier des Menschen erdacht wurden und immer neu erdacht werden müssen, denn der Mensch ist nun mal Mensch und seine Fehler kann er nicht ablegen. Nur Gemeinschaften können Regeln erdenken, diese schlimme Natur des Menschen zu bändigen, um die Gesellschaft vor den Folgen der Gier des Menschen zu schützen.
Die Bürger Esperanzas aber wissen auch, dass sie diese Art einer neuen und erfolgreichen Gesellschaftsstruktur niemals gefunden hätten, wenn die Große Krise NICHT stattgefunden hätte.


Ihr Tageshoroskop kompakt.
Abgefahrenen Kochrezepte finden sie hier.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen